Kaliberwahl: Ist die 6,5 Creedmoor besser als die .308 Win.? (2024)

Über das Kaliber 6,5 Creedmoor wird viel diskutiert. Was steckt hinter dem Trendkaliber? Ein Experte klärt auf.

Über Kaliber 6,5 Creedmoor wird viel diskutiert. Aber was steckt hinter dem Trendkaliber? Und ist es besser als die .308 Winchester? Um diese Fragen und noch mehr zu beantworten, haben wir einen Experten befragt. Jens Tigges ist seit 1984 Sportschütze, seit 1996 Waffensachverständiger, schrieb 11 Jahren lang für ein Fachmagazin, geht seit 2009 auf die Jagd und jagt seit 2014 mit dem Kaliber 6,5 Creedmoor.

PIRSCH: Gefühlt gibt es Kaliber wie Sand am Meer. Warum braucht es jetzt ein neues Kaliber?

Jens Tigges: Man könnte das abkürzen, wenn man sagt: Ich jage die üblichen Schalenwildarten in Zentraleuropa bis 150 Meter. Das geht sicherlich auch mit vielen der alten bekannten Kaliber. Aber wie immer: das bessere ist der Feind des Guten – wenn man etwas verbesser kann, dann bin ich der Meinung, sollte man es auch tun. Und neue Kaliber können halt Dinge besser, muss man auch ganz klar sagen. Wir haben zur Zeit eine neue Ära, was Patronen und Geschossentwicklung angeht und da passt dieses Kaliber perfekt rein.

PIRSCH: Erzähl uns doch bitte ein etwas über die Entstehungsgeschichte der 6,5 Creedmoor. Wann kam das Kaliber auf den Markt und wer hat es erfunden?

Jens Tigges: Der Hintergrund zur 6,5 Creedmoor ist der: In den USA gibt es Wettkämpfe bei denen Long Range geschossen wird und von einem der Hauptakteure war die Frage an Hornedy gerichtet, an den damaligen Seniorchef-Ballistiker Dave Emery: Kann man eine Fabrikpatrone bauen, mit der man einen 1.000-Meter-Wettkampf gewinnen kann? Daraufhin hat man sich Gedanken gemacht und etwas entwickelt und kam auf ein sehr effizientes Design. Die Parameter waren extreme Präzision, hohe Geschossgeschwindigkeit, geringer Rückstoß, lange Lauflebensdauer. All diese Dinge waren wichtig und wurden mit der 6,5 Creedmoor umgesetzt.

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PIRSCH: Wie wir gehört haben, kam die 6,5 Creedmoor aus dem Sportbereich. Wie kam es denn, dass sie auch bei Jägern populär wurde?

Jens Tigges: Man sagt immer, es war ein Übernachterfolg, der nur 10 Jahre gedauert hat, denn auch in den USA hat es ungefähr 10 Jahre gedauert, bis sich das Kaliber durchgesetzt hat. Die Jagd war tatsächlich der entscheidende Faktor. Die Vorteile der Patrone sind, dass man ein sehr effizientes Geschoss im Kaliber 6,5 Millimeter verschießt und dass sie eine hohe Geschwindigkeit besitzt. Vor allem vor dem Hintergrund bleifreier Geschosse, spielt die 6,5 Creedmoor ihre Stärken aus, weil wir festgestellt haben, dass Geschwindigkeit bei den bleifreien Geschossen wichtiger ist als der Durchmesser oder das Gewicht.

PIRSCH: Wo siehst du die Einsatzzwecke der 6,5 Creedmoor? Kann ich sie auch auf einer Drückjagd verwenden?

Jens Tigges: Ja, absolut. Auf der Drückjagd brauche ich maximale Augenblickswirkung. Aus unserer Erfahrung heraus ist diese vor allem bei bleifreien deformationsgeschossen von der Auftreffgeschwindigkeit abhängig und da hat die 6,5 Creedmoor zum Beispiel der Verwandten .308 Winchester um 50 m/s die Nase vorn. Und das ist genau der Punkt – ich habe das Kaliber selbst auf Drückjagden eingesetzt, nicht überall wird 7 Millimeter Mindestkaliber gefordert. Diese Forderung kommt aus der "Bleizeit", weil man eine gewisse Tiefenwirkung brauchte und die war mit 6,5 Millimeter mit leichten, weichen Bleigeschossen nicht immer gegeben. Man müsste diesen Aspekt jetzt bei mit bleifreien Geschossen überdenken. Wie gesagt, ich habe die regelmäßig auf Drückjagden eingesetzt und ich kann sagen, die Augenblickswirkung ist zumindest signifikant höher als von der .308 Win. oder so.

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PIRSCH: Eine höhere Auftreffgeschwindigkeit geht auch häufig einher mit größerer Wildbretentwertung. Wie sieht es da bei der6,5 Creedmoor aus?

Jens Tigges: Das kann ich aus meiner Erfahrung bestätigen, wenn man die Patronen mit der maximalen Geschwindigkeit einsetzt, nehmen Einblutungen im Bereich von Ein- und Ausschuss prozentual etwas zu. Aber für die übliche Ansitz- und Pirschjagd gibt es auch Patronen mit moderater Geschwindigkeit, also auch mit leichten Deformationsgeschoss, die dann etwas geringer sind, und da ist die Wildbretentwertung wieder wie bei einer .308 Win. Es gibt also Möglichkeiten das anzupassen. Wenn ich maximale Entfernung oder maximale Leistung auf der Drückjagd brauche, dann nehme ich die starke Patrone und ansonsten für den Universaleinsatz nehme ich eine mit einer moderaten Geschwindigkeit und dann funktioniert das einwandfrei.

PIRSCH: Du hast gerade das Thema Geschosse angesprochen. Welche Laborierungen gibt es und welche Geschossgewichte würdest du als ideal für die 6,5 Creedmoor ansehen?

Jens Tigges: Ja, wie gesagt, die 6,5 Creedmoor ist sehr vielfältig. Es gibt von einem 95 grs. – also 6,5 g – Vollzerleger für Raubwild bis hin zu schweren Long-Range-Blei- und Bleifreien-Geschossen eigentlich alles. Die Stärken meiner Meinung nach und meiner Erfahrung nach liegen im Bereich 120 bis 130 grs. – also 7,8 bis 8,3 Gramm Geschossgewicht. Dann werden die Vorteile der Geschwindigkeit ausgespielt, was die Geschosse wiederum zum Funktionieren brauchen.

PIRSCH: Wie sieht es mit der Lieferbarkeit der 6,5 Creedmoor aus und wo liegt sie im Vergleich zur .308 Win. preislich?

Jens Tigges: Sie wird von allen großen Herstellern gefertigt. Wenn man bei einem großen deutschen Versender auf die Webseite geht, gibt es sie in 17 Laborierungen. Das meiste ist auch lieferbar. Und preislich liegt die genau da wo eine .308 Win. auch liegt. Weltweit gesehen sind die Verkaufszahlen ähnlich der .308 Win., teilweise darüber und dementsprechend gibt es da auch keine Sonderaufschläge wegen geringeren Mengen oder sowas. Es gibt auch günstige Trainingspatronen für Kino und Schießstand. Da bleiben keine Wünsche offen.

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PIRSCH: Bei 6,5er Kalibern wird häufig kritisiert, dass sie nicht dick genug sind im Vergleich zu 9,3 oder 8,5 Millimeter. Es gibt auch auf manchen Drückjagdeinladungen tatsächlich das Mindestkaliber 7 Millimeter. Was würdest du sagen: Welche Nachteile hat die 6,5 Creedmoor im Vergleich zu dickeren Kalibern?

Jens Tigges: Gerade wenn wir von bleifreien Deformationsgeschossen sprechen, ist unsere Erfahrung – und wir haben es mit vielen Kalibern verglichen –, dass bei den bleifreien Deformationsgeschossen spielen Durchmesser und Gewicht eine untergeordnete Rolle. Die Auftreffgeschwindigkeit ist das Wichtigste für die Augenblickswirkung und bei dem Geschosstyp habe ich dann trotzdem keine Nachteile in der Tiefenwirkung, da hat das 6,5er Kaliber durch die höhere Flächenlast eh einen Vorteil, aber auch da, weil ich kaum Geschossgewicht verliere, habe ich trotzdem eine Tiefenwirkung und eine hohe Ausschusswahrscheinlichkeit. Also ich sehe da in der Praxis keinen Nachteil, im Gegenteil.

PIRSCH: Das Thema Schalldämpfer ist heutzutage auch ganz wichtig. Er gibt kaum noch eine neue Waffe, die ohne Gewinde verkauft wird. Wie sieht das mit den Lauflängen aus? Wie weit kann ich konkret meinen Lauf abschneiden, ohne dass ich die 6,5 Creedmoor in ihrer Leistung beschränke?

Jens Tigges: Ich empfehle nicht unter 50 cm, also nicht signifikant unter 50 cm zu gehen. Obwohl das Kaliber schnell ist und dementsprechend auch nicht so stark leidet von der Geschwindigkeit her, aber unter 50 cm wird es dann überproportional uneffektiver. Und dann verspiele ich viele der Vorteile wieder. Aber im Vergleich zu einer 6,5x55 ist es effizienter. Das heißt, es leidet nicht so darunter wie andere Kaliber. Aber diese Effizienz und Nicht-Effizient, da reden wir von 1,5 Prozent. Viel wichtiger ist, dass ich Geschwindigkeit habe. Was nützt mir eine effizientere Patrone, wenn sie von vornherein nicht schnell ist?

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