6,5 Creedmoor und 6,5x55 SE – Alt gegen Neu im Vergleich (2024)

Die mehr als 100 Jahre alte 6,5 x 55 SE musste sich einem Vergleich mit dem Jungspund 6,5 Creedmoor stellen. Gibt es bei der Jagd nennenswerte Unterschiede?

Die 6,5 x 55 SE (auch 6,5 x 55 Schwedisch Mauser) wurde nicht von Mauser, sondern als schwedisch-norwegisches Joint Venture von einer Kommission als Militärpatrone entwickelt. 1894 wurde sie in beiden Ländern als Ordonanzpatrone eingeführt. Sie blieb sehr lange eine Militärpatrone in beiden Ländern. Die bekanntesten Waffen waren der Carl Gustaf M 96 („Schweden-Mauser“; im Gegensatz zum M98 ein Schließspanner) und der norwegische Repetierer Krag-JØrgensen.

Vom Auerhahn bis zum Elch

Noch heute ist die 6,5 x 55 die Standardpatrone für skandinavische Schießwettbewerbe, z.B. auf 300 Meter. Nicht nur Sportschützen schätzen ihr hohes Präzisionspotential, verbunden mit mildem Rückstoß. Geringe Schützenbelastung erhöht bekanntlich die Tref-ferleistung. Jäger nutzen vor allem die in der 6,5 x 55 verwendeten langen, gut konstruierten Geschosse, die moderate Geschossgeschwindigkeit und das hohe Penetrationsvermögen.So wird die Patrone in Skandinavien vom Auerhahn bis zum Elch verwendet. Beliebt sind für die Schalenwildjagd 140-grs-Geschosse. Für Elch, Sauen und Rotwild werden aber 156/ 161 grs bevorzugt. Leichte Geschosse zwischen 85 und 130 grs sind auf Fuchs und Reh (Gams) gängig. Der Vorteil der Leichtgewichte ist eine etwas gestrecktere Flugbahn. Die üblichen schnellen Dralllängen von 1 : 8 2/3" (220 mm) begünstigen im Allgemeinen aber schwerere Geschosse.

Veraltete Hülsengeometrie

© Roland Zeitler

Heute gilt die Hülsengeometrie der 6,5 x 55 als veraltet. Der Schulterwinkel beträgt 25 °. Das Innenvolumen der 55 Millimeter langen Hülse mit Rille beträgt 56,5 grs Wasser. Der heute ungebräuchliche Bodendurchmesser ist mit 12,20 Millimetern stärker als bei einer .30-06 oder 8 x 57 IS. Die Patronenlänge darf maximal 80 Millimeter betragen, der Gasdruck maximal 3800 bar. Standard Rifle- oder Rifle Magnum-Zünder sind angesagt wie progressive Magnumpulver. Dem Erreichen des Leistungspotentials dienen 61- und 66-cm-Läufe.

Neues duales Weitschuss-Kaliber

Heute schießen Präzisionskaliber wie Pilze aus dem Boden. Ganz beliebt sind derzeit 6,5-mm-Kaliber beim Long-­Range-Schießen. Sicherlich erheben die „Neuen“ nicht den Anspruch, präziser als die 6 mm PPC zu sein. Vielmehr versucht man einerseits die Schützenbelastung gering zu halten, andererseits durch ein „Mehr“ an Geschwindigkeit sowie für das Kaliber schwerere Geschosse die Windabdrift zu minimieren. Die 6,5 Creedmoor wurde gleichermaßen als Weitschuss-Scheibenpatrone wie als Jagdpatrone entwickelt und um die Jahreswende 2007/ 08 vorgestellt. Entwickler waren die Hornady-Ballistiker Dave Emary und Dennis DeMille. Man bediente sich der .30 T/C als Mutterhülse. Der Bodendurchmesser beträgt 12,09 Millimeter, ist also nur geringfügig stärker als bei der .308 Win. Die Creedmoor ist allerdings mit 48,77 Millimeter Hülsenlänge kürzer (Maximal-Patronenlänge 71,12 mm). Damit passt sie sehr bequem in Kurzsysteme der .308er Klasse. Das Hülsenvolumen fasst 52,5 grs Wasser. Zeitgemäße Präzisionspatronen haben überwiegend eine 30 °-Schulter wie die Creedmoor.

Auch in kurzen Läufen

© Roland Zeitler

Der Maximal-Gasdruck beträgt 4350 bar. Versorgt wird die Creedmoor mit Standard-Zündern und mittelschnellen Pulvern (auch leichte Magnumpulver). Lauflängen zwischen 55 und 61 Zentimeter sind ideal, 51-cm-Läufe sind brauchbar. Aufgrund der kurzen Hülse mit kurzem Hülsenhals empfehlen sich eher leichtere Geschosse von 100 bis 147 grs.; 120 und 129/ 130 grs schwere sind Allrounder. Neuerdings favorisieren viele Jäger 140 und 147 grs. Bei üblicher Dralllänge von 1 : 8" bevorzugt die 6,5 Creedmoor schwerere Geschosse, wenngleich ihr Hülsenvolumen dagegen spricht. Neben dem Long-Range-Schießen wird die Creedmoor gerne zur Weißwedel- und Maultierhirschjagd eingesetzt, auch auf Dallwidder.

Überraschungen blieben nicht aus

Wir haben beide Kaliber auf dem Schießstand (Benchrest-Auflagen) geschossen und mit ihnen gejagt. Die Blaser R8 in 6,5 x 55 erbrachte Bestleistungen von 8mm/ 100 m. Die Savage in 6,5 Creed­moor hatte klar den schlechteren Abzug, der beim Abziehen viel Konzentration erforderte. Fünfer Bestleistungen lagen bei 14mm/ 100m. Beide Kaliber erzielen also eine sehr hohe Präzision, wie die Streukreis-Tabellen (nächste Doppelseite) verdeutlichen. Die alte 6,5 x 55 braucht sich nicht zu verstecken.

Bei der Geschossgeschwindigkeit erlebte ich gegenüber den Werksangaben eine Überraschung. Im Durchschnitt 108 m/s weniger erbrachten die RWS-Patronen 6,5 x 55 mit 140 grs DK. Die GEE sinkt durch von angegebenen 175 auf reale 155 Meter. Auf 200 Meter ändert sich bei GEE der Tiefschuss von -3,6 auf -9,2 cm. Bei der GECO Plus (156 gr Plus) waren es 85 m/s weniger und mit Norma Patronen (130 gr Match) 39 m/s. Die Leistung aus dem 58-cm-Lauf bei der RWS DK ist damit um 12,4 Prozent (in Bezug auf Geschossgeschwindigkeit) geringer. Die 6,5 Creedmoor kam mit dem kurzen Savage-Lauf (51 cm) besser zurecht. Hornady-Patronen mit 120 grs GMX erbrachten anstatt angegebener 930 m/s immerhin noch 894 m/s (36 m/s weniger). Mit 129 gr SST waren es 37 m/s weniger, und bei den Precision Hunter Patronen mit 143 gr ELD-X lag der Verlust bei 38 m/s. Unbedeutend für die GEE, die je nach Laborierung um 8 bis 11 Meter geringer ist. Sicherlich ist die 6,5 Creedmoor als Kurzpatrone leistungsfähiger als die gasdruckschwächere 6,5 x 55.

© Roland Zeitler

Flugbahn genau kennen

In der Praxis sollte man die Flugbahnkurve seiner Laborierung in 6,5 x 55 ab 180 Meter (falls GEE) genau kennen. Ideal sind ASV oder ballistisches Absehen. Mit der Schweden-Mauser wurde Rehwild bis zu 238 Meter erlegt (140 grs DK). Alle Stücke legten Fluchten zwischen fünf und 30 Meter zurück, oft ohne typisch zu zeichnen. Teils blieben sie einige Sekunden stehen, ehe sie umfielen und verendeten. Überläufer flüchteten noch zwischen 20 und 70 Meter. Mit der 6,5 Creedmoor jagten meine Tochter und mein Neffe. Es kamen Hornady-Patronen mit 143 grs ELD-X und mit 129 grs SST zum Einsatz. Auf Rehwild wirkte das SST umwerfend. Die Rehe lagen mit Kammerschüssen am Anschuss oder nach höchstens 20 Meter Flucht. Sie zeichneten gut, Schweiß war deutlich vorhanden. Mit dem ELD-X legten Rehe meist 15 bis 30 Meter Flucht zurück (Schüsse hinters Blatt). Zwei Überläufer wurden mit dem ELD-X erlegt, flüchteten rund 50 Meter.

© Roland Zeitler

Fazit:

Jagdlich sind beide Kaliber etwa gleichwertig. Auf Reh blieb die Wildbret­entwertung gering. Hinsichtlich Rasanz und etwas gestreckterer Flugbahn hat die 6,5 Creedmoor die Nase vorn – die modernere Patrone, ideal für kurze Systeme. Sie ist etwas leistungsstärker als die 6,5 x 55 SE. Jagdpraktisch ist das unerheblich. Beide sind hochpräzise. Als typische 6,5er sind sie für Wild bis rund 100 Kilogramm gut geeignet: ideal vom Reh über Gams bis hin zu Muffel- und Damwild und leichteren Sauen. Die 6,5 x 55 SE muss noch lange nicht zum Alteisen gelegt werden.

6,5 Creedmoor und 6,5x55 SE – Alt gegen Neu im Vergleich (2024)
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Author: Annamae Dooley

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